Motorauslegung - etwas Theorie

Wie werden eure Modelle angetrieben, Fragen und Antworten
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Albert
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Motorauslegung - etwas Theorie

Beitrag von Albert »

Nachdem immer wieder die Frage aufkommt: "Welchen Motor soll ich nehmen?" oder "Reicht dieser oder jener Motor für meine Raupe?", hier mal die physikalischen Grundlagen dazu.

So schauen die Kräfte aus bei einer Pistenraupe in Hangfahrt bei gleichbleibender Geschwindigkeit:

Bild

G = Gewicht der Raupe, wirkt nach unten
G * sin alpha = Gewichtsanteil in Fahrtrichtung, alpha = Steigungswinkel (Hangneigung)
F = Fahrtwiderstand der Raupe, also Widerstände im Antrieb und im Schnee

Das Gewicht der Raupe lässt sich auf einer Waage leicht bestimmen, anders schaut es mit dem Fahrwiderstand aus. Hierzu wären Messungen notwendig.

Für das Rechenbeispiel habe ich eine typische 1:8 Raupe hergenommen mit 15 kg Gewicht (= 147 N).
Den Fahrtwiderstand nehme ich mal recht hoch mit 50% vom Gewicht an (= 73.5 N)
Geschwindigkeit sind 0,7 m/sec, das entspricht 20 km/h beim Original.
Steigungswinkel = 45°, das sind 100% Steigung, also schon sausteil. Da wird auch das Original kaum ohne Winde raufkommen. Der Sinus von 45° = 0.7

Leistung = Kraft x Geschwindigkeit (statt "x" für "mal" verwendet man in Formeln meist "*")
Leistung = (G * sin alpha + F) * v
Leistung = (147 * 0.7 + 73.5) * 0.7 = 123 W

Für das Moment gilt: Leistung = Moment * Drehzahl, also ergibt sich das Moment = Leistung / 2*Pi*Drehzahl, wobei die Drehzahl in U/sec angegeben sein muss.
Mit der schon anderweitig angeführten Drehzahl von ca. 240 U/min (= 4 U/sec) ergibt sich das Moment zu 123 / (2 * 3.14 * 4) = 4.9 Nm, also rund 5 Nm

Das Motormoment wäre dann diese 5 Nm geteilt durch die Getriebeuntersetzung, also zB bei einem 1:50 Getriebe wären das 0.1 Nm oder 10 Ncm. Nachdem wir aber 2 Motoren haben, muss jeder Motor nur die Hälfte an Moment erbringen, also 0.05 Nm (5 Ncm).

Auf der elektrischen Seite ist Leistung = Spannung x Strom, bzw. Strom = Leistung / Spannung
Bei einem 12 V Akku ergibt sich damit der Strom = 123 / 12 = 10 A (ohne Verluste, also er wird in Wirklichkeit höher sein).

Ich möchte hier nochmals festhalten, dass die große Unbekannte der Fahrwiderstand ist, und ich diesen bewusst hoch angenommen habe. Zweitens wird man im Schnee kaum die 100% Steigung schaffen, also auch das ist eine "worst case" Annahme. Das heißt, mit diesen Zahlen liegt man eher auf der sicheren Seite.

Grüße,
Albert
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Re: Motorauslegung - etwas Theorie

Beitrag von Haase »

Hallo Albert

Klasse Bericht und prima geschrieben, hoffentlich wird es einigen helfen.
Mir sind es aber einfach zu viele Zahlen ;-)

Gruß Stefan
Und wenn ich einmal sterbe, begrabt mich mit dem Gesicht nach unten.. So, dass jeder, der mich noch nie mochte, nochmal am Arsch lecken kann..!

Mein Graupner Pistenbully Baubericht!
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Albert
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Re: Motorauslegung - etwas Theorie

Beitrag von Albert »

Hallo Stefan,

oh Mann, schon der nächste, der mir vorwirft, mit Zahlen um mich zu werfen! ;) ;)

Ich dachte, dass es durch die Zahlen anschaulicher wird, weil dann kann man nachvollziehen, welcher eigene Wert da eingesetzt werden muss. :(
Nur die Formeln allein werden den meisten wohl eher nichts sagen. :?

Grüße,
Albert
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Re: Motorauslegung - etwas Theorie

Beitrag von RatracFan »

Hallo Albert,
Also ich finde den Beitrag Genial!!!!
Durch dich kann ich jetzt berechnen was für min. Daten mein Antrieb hat! :!:
Danke :!: :!: ;)
Echt super und ich denke das finden noch mehr :!: ;)

Gruß Theo
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Albert
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Re: Motorauslegung - etwas Theorie

Beitrag von Albert »

Hallo Theo,

Danke! Deine Frage nach dem richtigen Motor hat mich motiviert, endlich mal diesen Beitrag zu schreiben. :)

Grüße,
Albert
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Albert
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Re: Motorauslegung - etwas Theorie

Beitrag von Albert »

Nachdem Zahlen und Formeln nicht jedermanns Sache sind, hier das "Kochrezept" für verschiedene Maßstäbe:

Maßstab / Modellgewicht / Leistung / Moment / Ampere
1:12 ...... 5 kg ............. 27 W .......1 Nm.......2,25 A
1:10 ......10 kg............. 66 W...... 2,6 Nm...... 5,5 A
1:8........ 18 kg ...........150 W ........ 6 Nm .... 12,5 A
1:6........ 40 kg ...........440 W......17,5 Nm......37 A

Man sieht dabei sofort, dass Gewicht und Leistung mit dem Maßstab nicht linear ansteigen, sondern zum Kubik. Die Zahlen für das 1:8 Modell sind etwas anders als weiter oben, weil ich hier von 18 kg ausgegangen bin.

Die Angaben sind wie gesagt unter stark verschärften Annahmen von hohem Fahrwiderstand (50% des Gewichtes) und für relativ hoher Geschwindigkeit im Steilhang. Ich glaube nicht, dass die Originale bei 100% Steigung noch 20 km/h schaffen. Was meinen unsere Raupenfahrer dazu?

Wenn das tatsächliche Modellgewicht geringer ist, kann man Leistung, Moment und Ampere um diesen Prozentsatz reduzieren.
Z.B. bei nur 30 kg in 1:6, also 75% von den 40 kg, sind das dann 330 W, 13 Nm und 28 A.
Man kann aber nicht in der Tabelle einfach das Gewicht des nächst kleineren Modells nehmen, weil die Geschwindigkeit ja vom Maßstab abhängt.

Grüße,
Albert
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Re: Motorauslegung - etwas Theorie

Beitrag von Pellengahr »

Hallo, Albert

Deine Aufstellung gefällt mir gut.
Als Ergänzung möchte ich noch den Einfluß der Wirkungsgrade nennen.
Ein normaler Bürstenmotor mit Feritmagneten (z.B. Speed 400, Speed 600...) hat einen Wirkungsgrad von etwa 60%. Es gibt auch hochwertigere Bürstenmotoren wie z.B. von Faulhaber, die kommen auch über 70%, bürstenlose Motoren liegen bei vielleich 80-90%. Und auch die Getriebe haben Wirkungsgrade - ich denke, hochwertige Getriebe liegen um 80%.
Daraus ergibt sich, daß man bei preiswerten Antrieben mit einem Gesamtwirkungsgrad des Getriebemotors von etwa 50% rechnen kann (ist sogar etwas optimistisch). Die elektrische Aufnahmeleistung ist hier also doppelt so hoch wie die mechanische Abgabeleistung.

Die typischen 240 U/min passen natürlich nur bei der "typischen" Sternradgröße. Es gibt auch (alte) Vorbilder mit deutlich kleineren Kettenzahnrädern, die benötigen dann schnellere Getriebemotoren, die aber nicht so viel Drehmoment haben müßen.

Zur Motor / Getriebeauslegung gehört auch das Thema Bremswirkung. Wenn eine Pistenraupe im Steilhang anhält, soll sie nicht wieder herunterrollen. Dafür zuständig ist das Rastmoment des Motors mal Getriebeuntersetzung (+ Getriebereibung).
Soweit ich das sehe, gibt der Leerlaufstrom einen gewißen Hinweis auf das Rastmoment.
Leider hat man meißt nicht die Auswahl, aber stellen wir uns mal vor, man könnte die selbe Drehzahl und das selbe Drehmoment mit zwei verschiedenen Getriebemotoren erzeugen. Ein Motor dreht sehr langsam und ist daher nur kurz untersetzt. Der andere ist hochdrehend und benötigt daher eine lange Umtersetzung. Bei ähnlichem Motor-Rastmoment ist der languntersetzte hochdrehende Motor besser, da er nicht zurück rollt. Der Servonaut-Regler hat eine Kurzschluß-Bremse - die sollte auch etwas helfen. Die SGS-Regler haben so was nicht.

Theo, für Dein Projekt reichen die Minni-Akkuschrauber (mit 380er / 400er Motoren) nicht aus. Da sollte es schon die normale Akkuschrauber-Größe sein, die mit den 540er oder besser 600er Motoren.


Beste Grüße

Jürgen Pellengahr
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RatracFan
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Re: Motorauslegung - etwas Theorie

Beitrag von RatracFan »

Hallo Jürgen und Albert,
@Albert:
Die "Tabelle" finde ich ebenfalls genial!!!!
super Thread!!

@Jürgen:
Danke für die Beschreibung, Du sagst dass kleine Akkuschraubermotoren nicht reichen, liegt dass an der W Leistung ?? oder am Rastmoment, also würde er mir ja wegrollen ?? Oder ist die Qualität der Getriebe und Motoren zu schlecht??

Trotzdem auch super Erklärung !! vielen dank!


Gruß Theo
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Albert
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Re: Motorauslegung - etwas Theorie

Beitrag von Albert »

Hallo Jürgen,

vielen Dank für die Erklärung der Wirkungsgrade. Diese muss man für die Motorauswahl unbedingt auch berücksichtigen. Ich vergaß zu erwähnen, dass meine Berechnungen das benötigte Moment an den Antriebsritzeln ergeben, und nicht das für den Motor.

Die zuverlässigste Methode ist immer noch, dass man sich an bereits funktionierenden Modellen orientiert. Also einfach die Kollegen mit ähnlichen Modellen im gleichen Maßstab fragen, welche Motor/Getriebekombination sie einsetzen. ;)

Grüße,
Albert
Pellengahr
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Re: Motorauslegung - etwas Theorie

Beitrag von Pellengahr »

Hallo, Theo

>Du sagst dass kleine Akkuschraubermotoren nicht reichen, liegt dass an der W Leistung ??

Ja. In den kleinen Akkuschraubern sind 400er Motoren verbaut. Die gibt es in unterschiedlichen Ausführungen, aber von der Motorgröße reichen die für 1:12, bei Nachbauten von kleinen Vorbildern auch für 1:10, aber eine schwere Raupe brauch größere Motoren. Es könnte schon sein, daß die 400er kurzzeitig die Leistung liefern, aber die können so viel Abwärme nicht loswerden, grade wenn Du die 3,6V Motoren mit einer viel höheren Spannung (Volt) betreibst wird viel mehr Wärme erzeugt als Antribsleistung (Wirkungsgrad sinkt unter 40%). Da brennen die Wicklungen durch.
Nun, die rote Gams ist als Vorbild recht klein. Vielleicht ist ein 400er Motor (das ist immer die Baugröße, früher hießen die 380er, 28mm Durchmesser und 38mm Länge) grade noch ausreichend. Aber dann keine 3,6V oder 4,8V Ausführung. Den gibt es auch als 7,2V Version, mit etwas Überspannung (vielleicht 8,4V) könnte der fast schon reichen. Als Getriebe fällt mir das Heng-Long-Getriebe ein, wie es die Panzermodellbauer benutzen. Habe ich in einer kleinen 1:10er Raupe, vielleicht ginge das damit, da gibt es auch eine Metallversion die hoffentlich etwas robuster ist (bei meiner Kunststoffausführung löst sich das letzte Zahnrad von der Antriebsachse).

Ein größerer Motor (z.B. Speed 540 / 600) kann die hohe Leistung (Watt) auch auf Dauer bringen, der ist dafür ausgelegt.


>oder am Rastmoment, also würde er mir ja wegrollen ??

Das kann ich Dir nicht sagen. Beim Akkuschrauber kann man ja mal an der Bohreraufnahme drehen - da kann man vielleicht abschätzen ob's reicht. Wenn man das Bohrfutter leicht drehen kann wird's zu wenig sein. Genaue Angaben kann ich Dir dazu aber nicht machen.


>Oder ist die Qualität der Getriebe und Motoren zu schlecht??

Das Getriebe könnte sogar reichen, je nach Ausführug. Ich habe mal ältere 4,8V Akkuschrauber auseinander genommen, die hielt ich für geeignet, auch bei etwas höherer Leistung.


Beste Grüße

Jürgen Pellengahr
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